So kann Feedback unseren Selbstwert stärken
"Du kannst aber sehr schön malen!" Schon damals gingen diese Worte runter wie Öl. Ich war ungefähr 7 Jahre alt, als meine Mama mir diesen Satz auf einen Zettel schrieb. Wenn ich heute darüber nachdenke merke ich, wie viel diese Kleinigkeit bewegt hat. Sie mich zum Künstler gemacht, der stolz auf sich und sein Talent sein kann - auch wenn ich meine Bestimmung in Fotos und dem Schreiben gefunden habe, trage ich diesen positiven Impuls bis heute tief in mir. Warum also dieses kleine Feedback so viel bewirkt hat und wieso wir ändern sollten, wie wir heute mit Komplimenten umgehen, davon erzähle ich dir in meinem Artikel.
Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern: Ich saß auf der Küchenbank am Esstisch und malte ein Bild, das einen Fahrradausflug zum See zeigte - genau wie man es sich vorstellt - mit gelber Sonne am Himmel, Bergen, Bäumen und dem tiefsten Blau, das meine Stifte hergaben. Meine Mutter saß eine Weile mit am Tisch und schrieb, bevor sie ging, diesen Zettel. So viele Dinge vergisst man, Tage die vorbeirauschen, doch dieser Moment ist immer noch so klar. Vielleicht markiert er den Beginn eines Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens, das mich bis heute nicht verlassen hat. Wenn ich so darüber nachdenke, wie viel es mir bedeutete, dann frage ich mich ernsthaft, warum die wenigsten Menschen es schaffen, positives Feedback zu geben. Scheinbar ist es ja mächtiger als jede Zauberformel oder so manches Selbsthilfebuch.
>>Wir lernen, wie wertvoll man sich fühlen darf<<
Nach meiner Erfahrung ist es für jene Menschen besonders herausfordernd Wertschätzung auszudrücken, für die es auch grundsätzlich schwierig ist, Emotionen zu zeigen oder sie zu kommunizieren. Es ist die alte Angst davor, schwach zu wirken oder etwas Falsches zu sagen oder sich durch etwas so Sensibles angreifbar zu machen. Wie viele sehnen sich nach anerkennenden Worten ihrer Eltern oder Partner? Wenn ich so an meine Coachees denke, dann eine ganze Menge - ist der häufigste Wunsch einer persönlichen Weiterentwicklung eben jenes Selbstbewusstsein, das wir schon als Kinder hätten lernen können. Natürlich gibt es noch weitere Zutaten dafür - doch Anerkennung ist eben ein direkter Weg zu lernen, wie wertvoll man sich als Mensch fühlen darf.
Als Rudeltiere ist es darüber hinaus extrem wichtig, Teil einer Gemeinschaft zu sein und dazu gehört eben auch diese Begegnung, das Bemerken von guter Arbeit, weil man wichtigen Anteil am Überleben und Aufblühen der Gruppe hat. Wird uns dieses Feedback verwehrt, schleicht sich unterbewusst Zweifel ein: Vielleicht ist man ja nicht gut genug? Wir haben also einen seltsamen Umgang mit positivem Feedback, der reinsten und direktesten Form der Wertschätzung. Viele befürchten, Lob könnte einem zu Kopfe steigen oder nicht ernst gemeint wirken oder die betreffende Person wisse ja schon wie gut sie ihren Job mache. Leider nicht. Wir selbst schätzen unsere Leistung ohne Feedback von außen in der Regel eher geringer ein.
>>Das deckt sich nicht mit unserem Selbstbild<<
In der Zeit, in der wir dadurch hätten lernen sollen, hören wir eher Dinge wie: "Du musst bescheiden sein!" oder "Auf keinen Fall darfst du das über dich selbst sagen - das wirkt eingebildet!" Wir bekommen also in der Erziehung gesagt, dass wir uns auf keinen Fall zu wohl in unserer Haut fühlen dürfen und lernen so gekonnt, alle Komplimente abzuwehren, als Manipulation oder als Sarkasmus zu werten. Immerhin decken sie sich ja auch nicht mit unserem Selbstbild.
Zum Glück habe ich aber schon früh gelernt, wie gut es gut, lobende Worte zu sagen und zu hören. Ich selbst gebe immer dann Feedback, wenn ich positive Gedanken oder Beobachtungen bei einer Person habe. In Beziehungen, bei Kund:innen oder bei Fremden auf der Straße - es spielt für mich keine Rolle in welchem Kontext. Es gibt nur eine wichtige Regel: Jedes Kompliment muss ernst gemeint sein. Zeitgleich versuche ich, Lob anzunehmen und das fällt mir auch nicht immer leicht. Manchmal findet man eben einen Auftritt auf der Bühne selbst nicht so gelungen und muss schon zweimal schlucken, um sich für positives Feedback zu bedanken ohne zu widersprechen. Doch es lohnt sich - es fühlt sich großartig an, gesehen zu werden.
Probiere doch einfach mal aus was passiert, wenn du Komplimente gibst oder annimmst. Ich möchte fast wetten, dass es grundsätzlich etwas Schönes zu Tage fördert, eine neue Verbindung zu Menschen, gute Laune oder ein unvergessliches Gefühl wie jenes, das mir dieser kleine Satz auf meiner Stiftebox geschenkt hat und die ganze Welt, die seit damals mit ihm gekommen ist.